Du
bist der Frühling
Vegan?!
Ein Biss-chen extrem
Vegetarismus und Tierrecht
In Schubladen und Kategorien zu denken ist verführerisch,
menschlich, vielleicht auch zu einem gewissen Maß notwendig
und vereinfacht Sachverhalte oft so stark, dass es schädlich
wird. Aus Schubladen lässt es sich schwer hinaus denken.
Schon oft
haben Menschen zu mir gesagt, sie könnten sich eventuell
vorstellen, vegetarisch zu leben, die Umstellung auf vegan wäre
ihnen aber zu hart.
Viele sehen Vegetarismus als eine Art Veganismus light.
Wenn ich schon nicht ganz konsequent sein kann, dann wenigstens
ein bisschen.
Ganz so einfach sehe ich das nicht, zumindest nicht aus Sicht
der Tierrechte.
Eines ist
statistisch belegt: Die meisten Veganer lebten zunächst vegetarisch.
Vegetarismus ist für viele die Einstiegsdroge
zum Veganismus. Vegetarismus war für viele der Anfang eines
wichtigen Denkprozesses.
Es gibt aber auch Vegetarier, die finden, dass sie mit ihrer Lebensweise
schon genug Gutes tun und ihre Lebensweise nicht mehr hinterfragen.
Ich selbst war 18 Jahre lang so ein Vegetarier, bevor ich mit
34 wieder omnivor wurde. In diesen 18 Jahren habe ich nicht einmal
ernsthaft erwägt, vegan zu werden. (Ich will nicht behaupten,
dass alle Vegetarier sind wie ich!)
Man kann aus
verschiedenen Gründen vegetarisch leben. Falls einer der
Beweggründe ist, Tierleid zu vermeiden, sollte man die eigene
vegetarische Lebensweise genau unter die Lupe nehmen.
In wie weit
verhindern Vegetarier Tierleid?
Wegen ihnen werden keine Schweine geschlachtet.
Aber für sie legen Hühner Eier und Kühe geben Milch.
Vegetarier, denen Tierrechte wichtig sind, sollten genau darauf
achten, wie diese Tiere leben.
Ich habe das nicht so konsequent getan, wie ich mir das heute
wünschen würde.
Das Eis aus der Eisdiele war sicher nicht aus Demetermilch hergestellt.
Das Vollei in den Keksen und der Käse auf der Pizza stammte
vermutlich von Tieren, mit deren Haltung ich auch schon damals
nicht einverstanden gewesen wäre.
Tierprodukte,
die nicht explizit als Bioqualität ausgezeichnet sind, kommen
eigentlich immer aus konventioneller Haltung. Und auch viele Biostandards,
wie zum Beispiel in der Hühnerhaltung, gehen mir persönlich
einfach nicht weit genug.
Ich glaube,
ich war nicht der einzige Vegetarier, der sich darüber nicht
ausreichend Gedanken macht. Ich wollte nicht, dass Tiere für
mich sterben. Aber wie sie für mich lebten, das habe ich
nicht genug bedacht.
Zur Produktion
von Eiern und Milch gehört aber auch der Tod von Tieren.
Ob ich das getötete Tier dann auch noch esse oder nicht,
ist dem Tier egal. Tot ist tot.
Um Eier zu
produzieren, müssen Millionen von Legehennen ausgebrütet
werden.
Dabei gibt es statistisch gesehen 50% Ausschuss: Da
Hühnerrassen, die zum Legen gezüchtet wurden, für
die Mast nicht rentabel sind, werden männliche Küken
direkt nach dem Schlüpfen aussortiert und vergast oder lebendig
in einen Schredder geworfen.
Das ist auch in der Biohaltung üblich.
Damit eine
Kuh Milch gibt, muss sie gebären, wie alle Säugetiere.
Sie kalbt einmal pro Jahr, um kontinuierlich Milch zu geben. Damit
der Mensch die Milch haben kann, nimmt er ihr das Kalb direkt
nach der Geburt weg.
Die weibliche Nachzucht wird mit Milchpulver groß gezogen,
um selbst Milchkuh zu werden, die männliche Nachzucht wird
nach wenigen Wochen Mast geschlachtet.
Auch das ist der übliche Vorgang in der Biohaltung um Milch
zu produzieren (In sehr wenigen Betrieben lässt man das Kalb
zumindest wenige Tage bei der Mutter).
Vegetarier,
die nicht konsequent auf die Herkunft ihrer Nahrungsmittel achten,
unterstützen die Massentierhaltung und tragen zu ihren Folgen
bei. Sie verspeisen zwar keine toten Tiere, finanzieren mit ihrem
Kaufverhalten jedoch das Halten von Tieren als Industriegüter.
Was ich lernen
möchte, ist nicht mehr so sehr von meiner Perspektive aus
zu denken, die oft von wagen Gefühlen gespeist wird.
Für das Tier ist es irrelevant, wie ich mich mit etwas fühle
oder wie die ethischen Theorien in meinem Kopf dazu aussehen.
Wichtig sind die konkreten Konsequenzen meines Handelns für
meine Mitgeschöpfe.
Ich habe mich als Vegetarier als guter Mensch gefühlt,
habe aber zu fast jeder Mahlzeit Tierprodukte verzehrt und das
zum Großteil aus konventioneller Haltung.
Ein bewusst
konsumierender Flexitarier, der darauf achtet regional und in
Bioqualität zu kaufen und sich weitestgehend pflanzlich ernährt
(sagen wir fünf, sechs Tage die Woche), finanziert weniger
Tierleid als ein Vegetarier, der täglich Milchprodukte aus
konventioneller Haltung isst.
Ich möchte
hier keine Vegetarier angreifen. Worauf ich hinweisen will, ist,
dass viele Menschen, so wie ich, dazu neigen in vereinfachten
Kategorien zu denken und ihr Verhalten nicht konsequent genug
zu überprüfen.
Ich ärgere mich heute über mich, dass ich mich auf meinem
Vegetarier-sein ausgeruht habe, ohne mein Verhalten zu hinterfragen.
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